Schule, Berufsausbildung oder Studium? Diese Fragen helfen bei der Berufsorientierung
Liebe angehende Azubis und BerufseinsteigerInnen, Jugendliche und junge Erwachsene und auch Eltern! Ich schreiben diesen Artikel an BerufseinsteigerInnen und auch an deren Eltern. Den Berufseinsteigern/Innen möchte ich ein paar Tipps zur Berufsfindung geben, den Eltern ein paar Anhaltspunkte, wie sie ihre Kinder auch bei der Berufswahl und dem Einstieg ins Berufsleben bestmöglich unterstützen können.
Zunächst einmal möchte ich meine Beobachtungen zum Wandel im Ausbildungsbereich und zum Berufseinstieg mitteilen. Das hat mich letztendlich bewogen, diesen Artikel zu verfassen.
Orientierungslosigkeit der Jugendlichen
Ich habe über 20 Jahre lang Auszubildende eingestellt und stelle in den letzten Jahren verstärkt zweierlei fest:
- Noch vor einigen Jahren kamen die Bewerbungen viel früher in den Unternehmen.
- Es kommen jetzt vermehrt Bewerbungen für eine zweite Ausbildung oder nach abgebrochenen Ausbildungen/Studien.
Mein Resümee hierzu ist: Früher kamen die Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz etwa 1 Jahr oder ein knappes Jahr vor dem Ausbildungsstart. In den letzten Jahren kommen viele Bewerbungen erst wenige Monate oder sogar nur wenige Wochen vor dem Ausbildungsbeginn. Besonders auffallend ist das seit circa 3 Jahren. In Gesprächen mit nicht nur meinem Sohn (15), der jetzt auch vor der Wahl steht, ob er weiter zur Schule gehen soll oder lieber einen Ausbildungsberuf ergreifen möchte, sondern auch mit vielen anderen Jugendlichen und Eltern im beruflichen und privaten Umfeld scheint eine zunehmende Orientierungslosigkeit bei den Jugendlichen um sich zu greifen und sie tun sich offensichtlich bei der Wahl ihres zukünftigen Berufs und der Vorstellung ihrer Zukunft immer schwerer. Diese Wahl ist natürlich schon immer von großer Bedeutung, jedoch waren die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie hinderlich und hat für die Jugendlichen etwa 2 Jahre lang auch die Chancen geschmälert, sich mit Praktika in dem ein oder anderen Beruf auszuprobieren. Wo Firmen keine MitarbeiterInnen in den Unternehmen hatten, sondern alle im Homeoffice waren, konnten natürlich auch keine Praktikanten in den Unternehmen vor Ort aufgenommen werden. Praktika sind selbstverständlich ein wesentlicher Faktor für die Berufsorientierung, Probieren geht ja bekanntlich über Studieren. Da diese Möglichkeit fehlte, sind viele Jugendliche einfach unsicher und in gewissem Maße orientierungslos.
Zu zweiter Beobachtung, dass immer öfter Bewerbungen von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen kommen, die zwar schon eine andere Ausbildung oder ein Studium begonnen oder teilweise auch abgeschlossen haben, die aber erst währenddessen oder danach feststellen, dass sie sich eigentlich eine andere Ausbildung und einen anderen Beruf wünschen. Eine Ausbildung, die wirklich ihren Interessen entspricht. Besser spät als nie, das ist so. Was gibt es schlimmeres, als sich jahrelang, womöglich ein ganzes Leben lang in einem Beruf wiederzufinden, der einem gar keine Freude bereitet. So war der zunächst vermeintlich „falsche“ Weg im Sinne einer „falschen“ Ausbildung oder „falschen“ Studiums doch immerhin dazu gut, dabei erkannt zu haben, was viel besser zu ihnen passt. Das Wort „falsch“ setze ich bewusst in Hochkommas, da ich der festen Überzeugung bin, dass gar nichts falsch ist. Lediglich vielleicht ein Umweg zum Ziel. Und diese Umwege sind erlaubt, wichtig und richtig, lernt man dabei doch sehr viel. Aber natürlich wünscht man sich für die eigenen Kinder, dass sie den direkten, vermeintlich einfacheren Weg wählen. Aber liebe Eltern: die Kinder dürfen es anders machen, als wir es vielleicht tun würden. Und auch anders, als wir es uns für sie wünschen. Auch wenn das manchmal ein schmaler Grad ist, zwischen dem Bewahren vor schlimmen Fehlschritten und die eigenen Erfahrung machen lassen. Das wichtigste ist jedoch, dass die Kinder glücklich sind, bei dem was sie tun, ihre eigenen Erfahrungen machen, auch eventuell mit den oben geschilderten Umwegen aus ihren eigenen Entscheidungen lernen.
Schule weitermachen oder Berufseinstieg?
Viele ziehen die Schulzeit problemlos und mit Erfolg durch. Aber es gibt einige SchülerInnen, die sich mit dem Schulalltag und dem Lernen schwerer tun. Teilweise ist es auch so, dass aus Mangel an Ideen einfach weiter die Schule besucht wird und bis zum höchstmöglichen Abschluss die Schule besucht wird. Natürlich bringt der höchstmögliche Schulabschluss die besten Möglichkeiten und die größte Freiheit für die spätere Berufswahl. Und wenn das reibungslos funktioniert ist es zweifelsohne die beste Wahl. Aber für einige Schüler ist vielleicht eine Ausbildung und Einstieg in den gewünschten Beruf die bessere Alternative. Statt sich weiter durch die Schule zu quälen und dann im schlimmsten Fall doch in der Oberstufen zu scheitern, sollte rechtzeitig über die Möglichkeit einer Ausbildung nachgedacht werden. Und es gibt heutzutage unendlich viele Möglichkeiten auf den besagten Umwegen und dem zweitem Bildungsweg fast alles erreichen zu können.
Um diese Entscheidung zu erleichtern, möchte ich dir bzw. den Eltern hier ein paar Möglichkeiten und hilfreiche Gedanken an die Hand geben, die bei der Berufswahl unterstützen können.
6 Tipps für die Berufsorientierung
1) Selbstreflektion
Wenn du beginnst, dich mit der Frage nach deinem möglichen Beruf auseinanderzusetzen, möchte ich dir vorschlagen, dir diese Fragen zu stellen, um deine Gedanken zum Thema Berufswahl anregen:
- Was hast du dir regelmäßig zu Geburtstagen und Weihnachten gewünscht? Gab es da etwas spezielles? Was nur du wolltest?
- Womit hast du ständig gespielt? Stundenlang? Du hast gar nicht gemerkt wie die Zeit vergeht-
- Hast du irgendwas gebastelt? Gewerkelt? Getan? Gesammelt?
- Hast du irgendetwas immer anders gemacht als andere? Worüber haben andere vielleicht den Kopf geschüttelt, aber das war ganz genau deine Art?
- Wurdest du für irgendetwas immer besonders gelobt?
- Was wolltest du schon immer werden? Gab es außer Polizist, Cowboy oder Prinzessin andere Berufe oder Vorbilder?
- Was ist dir im Alltag etwas besonderes begegnet, was dich nachhaltig begeistert hat? Worüber du noch eine Weile in deinen Gedanken nachhingst?
- Worauf freust du dich jedes Mal, wenn es ansteht und vor allem warum? Ein bestimmtes Event, Besuch besonderer Menschen, Institutionen, Gebäuden….
- u.v.m.
2) Beratungsmöglichkeiten nutzen
Es gibt viele tolle Beratungsmöglichkeiten und ich möchte dich ermuntern, diese unbedingt zu nutzen. In den Schulen wird die Berufswahl thematisiert und es finden dort üblicherweise Berufsberatungen statt. Obwohl ich ja nun schon so lange in diesem Umfeld arbeite, war ich an der Schule meines Sohnes bei der Infoveranstaltung für Eltern, und ich muss sagen, ich war zum einen überrascht über die Anzahl der Möglichkeiten, von denen ich tatsächlich noch gar nichts wusste. Zum anderen hat mich die Dame der Agentur für Arbeit begeistert, wie kompetent und engagiert sie sich für die Jugendlichen einsetzt. Diese Beratung über das BIZ bei der Agentur für Arbeit kann ein sehr guter erster Schritt sein, um sich überhaupt einmal mit den Möglichkeiten zu beschäftigen, die es so gibt. Wenn du jedoch aus der Fülle der Berufe nicht ad hoc den passenden Beruf für dich gefunden hast, für den du Feuer und Flamme bist, solltest du etwas tiefer graben. Dann investiere etwas mehr Zeit. Gib dir Mühe, es lohnt sich, dich mit deiner Zukunft zu beschäftigen und mit einem Beruf, der dir Spaß und Freude macht.
3) Austausch mit Freunden
Sprich mit deinen Freunden, lass sich von deren Ideen inspirieren. Frag sie, was sie für Pläne und Ideen haben, erzähle ihnen von deinen Ideen, frag sie ob sie sich schon mit dem Thema Berufswahl auseinandergesetzt haben. Nach meiner Erfahrung kommen da oft interessante Geschichten zu Tage. Schulkameraden/Innen haben sich schon für einen Beruf beworben haben und haben das nur gar nicht mitgeteilt. Überlege dir, ob das auch etwas für dich wäre, ober wenn nicht, warum dann nicht? Was magst du stattdessen machen bzw. in welchem Umfeld magst du lieber arbeiten? Alles was hilft, ist erlaubt. Das sind alles wichtige Schritte auf dem Weg der Berufsfindung.
4) Austausch mit deinen Eltern, anderen Erwachsenen, Berufserfahrenen
Sprich doch mal mit deinen Eltern und frage sie, warum die sich für ihren Beruf entschieden haben. Dieser Austausch kann sehr inspirierend sein und so werden auch die Eltern anregt, sich etwas zu reflektieren. Was halten die Eltern denn von ihrem eigenen Beruf? Was mögen sie an ihrem Beruf und warum? Würden sie ihn nochmal wählen? Oder ist es nur ein sogenannter Brötchen-Job, also um einfach Geld fürs Leben ranzuschaffen? Reflektiert doch mal gemeinsam, wie das früher war und welche Möglichkeiten heute bestehen und was alles ausprobiert werden könnte.
Welche Glaubenssätze der Eltern braucht kein Kind?
Liebe Eltern, seid euch bewusst, was ihr unbewusst euren Kindern mitgebt. Hängt bei euch ein alter Glaubenssatz, eine alte Überzeugung fest, mit der ihr aufgewachsen seid, wie zum Beispiel: der Beruf ist nun mal zum Geldverdienen da, irgendwo muss ja das Geld ja herkommen, Spaß ist was anderes, Arbeit muss halt sein, Arbeit ist schwer und stressig…? Diese Ansätze sind nicht hilfreich. Wie wäre es denn, wenn eure Kinder mitbekommen, dass ihr euren Job gerne macht, ihr Spaß auf der Arbeit habt, mit netten Kollegen, dass ihr jeden Tag Menschen helft, sie glücklich macht… Oder zumindest einfach gerne das tut, was ihr tut, auch wenn es nur zum Geldverdienen ist. OK, Urlaub ist besser, finde ich auch. Aber auf den Lottogewinn zu warten und auszusteigen ist für die wenigstens eine Option. Also bitte überlegt mal, was ihr euren Kindern vermitteln möchtet und im Zweifel seid einfach ehrlich, ok, eurer Job macht euch keinen allzu großen Spaß. Aber es gibt andere Berufe für eure Kinder und die machen Spaß. Und so einen Job wünscht ihr euch doch für eure Kinder, oder? Wir sollten bedenken, dass sich der Arbeitsmarkt aktuell stark wandelt. Es gibt so viele Möglichkeiten und die Chancen sind so gut wie nie!
4) Recherche
Heutzutage sind doch so viele Informationen so unglaublich gut und leicht verfügbar. Ich hatte mir damals Broschüren IN PAPIER über diverse Berufe und Studiengänge schicken lassen. Verrückt. Wenn du anfängst, dich hineinzudenken, in deine Begabungen, damit, was du gerne machen würdest, was dir beruflich Spaß machen könnte, frage dich immer: Warum ist das so? Warum könnte das zu dir passen? Was genau gefällt dir daran? Welche deiner Eigenschaften und Talente könntest du da gut einbringen? Es gibt zum Beispiel auch YouTube Videos über Berufe und darüber, wie Menschen ihren Beruf gefunden haben. Wusste ich auch nicht, hat mir mein Sohn erklärt. Er hat ein Video gefunden, in dem es jemandem genau wie ihm ergangen ist und daraufhin die gleiche berufliche Idee wie er entwickelt hatte. Sowas bestärkt natürlich. Ich gebe diesen Tipp also auch gerne weiter.
5) Sprich mit Leuten, die diesen Beruf schon ausüben
Wenn du dir den ein oder anderen Beruf für dich vorstellen könntest, schau dich in deinem Umfeld um und frage die Leute, die schon in diesem Beruf arbeiten. Das können private Kontakte der Eltern sein, oder aus dem Umfeld deiner Freizeit. Eine sehr gute Möglichkeit sind auch Berufsmessen. Dort sind neben den Leuten aus den Personalabteilungen üblicherweise auch auch MitarbeiterInnen aus den unterschiedlichen Fachbereichen vertreten. Also aus den Berufen, für die die Unternehmen neue MitarbeiterInnen und Auszubildende suchen. Sprich sie an, wie der Beruf genau aussieht. Und frag sie auch, warum sie den Beruf für sich ausgewählt haben und was ihnen daran gefällt. Das bringt oft die tollsten Gespräche, weil es dann viel mehr in die Tiefe geht. Und erfahrungsgemäß erzählen die Leute gerne aus ihrem Berufsalltag und du erfährst deren Geschichten, wie sie zu ihrem Beruf gekommen sind. Das ist spannend und inspirierend.
6) Last not least: Praktika
Probieren geht über Studieren. Das hatte ich ja eingangs schon erwähnt. Und auch wenn es die letzten Jahre sehr schwierig war, jetzt könnt ihr umso mehr alle Möglichkeiten nutzen, um in unterschiedliche Berufe in Form von Praktika hineinzuschnuppern. Die Unternehmen suchen MitarbeiterInnen und nutzen wiederum alle Möglichkeiten, junge Talente zu gewinnen. Nutzt dazu auch gerne die ein oder andere Ferienwoche, es ist gut investierte Zeit. Und oft habe ich schon gehört, dass die SchülerInnen nach dieser Praktikumswoche ganz traurig waren, dass die Zeit im Unternehmen schon wieder vorbei ist und sie wären gerne länger geblieben. Also fragt in den Betrieben und Unternehmen, ob sie euch eine Woche oder ein paar Tage einen Einblick gewähren.
New Work oder auch: New Way des Berufslebens
Zum Abschluss möchte ich hier ein kleines Plädoyer dafür halten, dass es in Zukunft meiner Meinung nach viel mehr Flexibilität und Veränderung, auch in beruflicher Richtung geben wird. Den EINEN Beruf, den man ein Leben lang macht, wird es bei den jüngeren Generationen nicht mehr in dieser Art geben. Eher werden auch unterschiedliche Tätigkeiten ausprobiert werden. Damit meine ich jetzt kein Job-Hopping, aber doch etwas mehr Kreativität und Erlaubnis, alle angelegten Talente zu verfolgen und auch Quereinstiege in andere Berufe und Branchen zu ermöglichen. Wir können doch alle mehr als nur EINE Sache besonders gut und sind von mehreren Dingen begeistert, warum also auf EINEN Beruf ein Leben lang festlegen? Ich denke, hier wird sich in Zukunft der Wandel weiter vollziehen und ich beobachte das auch schon in den jüngeren Generationen. Alle Jobs wollen ausprobiert werden, der Kreativität wird viel freier nachgegangen. Wenn sich gar keine beruflichen Interessen oder Studiengänge finden, kann ich persönlich einen längeren Auslandsaufenthalt befürworten, Work&Travel, Schüleraustausch, ein Jahr als Au-pair oder was es da so alles gibt. Diese Zeiten sind für das persönliche Wachstum unglaublich wertvoll. Es geht im Wesentlichen darum, deine Talente, Stärken und Interessen zu entdecken und daraus den Beruf zu finden, der dich begeistert. Und das darf Spaß machen – mit Begeisterung zum Beruf!
Ich wünsche dir viel Freude dabei.
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